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06.02.2019

Unter die Lupe genommen: Mikroplastik

Mikroplastik gehört zu den Kunststoffen. Im wahrsten Sinne. Denn der Stoff der Superlative wird von Menschen künstlich hergestellt und findet in allen Lebensräumen Anwendung. Gleichzeitig gibt die Plastikflut zu denken, vor allem in punkto Wegwerfartikel, die die Umwelt belasten. Dr. rer. nat. Jürgen Göske und Dipl.-Ing. Univ. Werner Kachler, Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. (BVS), geben Auskunft über einen komplexen Stoff, der zurecht ambivalent betrachtet werden darf.

„Der Begriff Mikroplastik besteht aus dem Wortstamm Mikro, abgeleitet aus dem griechischen mikrós für klein, und dem Wort Plastik. Die Größenangabe der folglich sehr kleinen Plastikteile liegt unter einem Millimeter, ergo im Mikrobereich“, erklärt Dr. rer. nat. Jürgen Göske, Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V.        

Plastik als einer der Kunststoffe, der wegen seiner besonderen Eigenschaften wie Formbarkeit, Elastizität, Langlebigkeit und geringes Gewicht in allen Lebensbereichen eingesetzt wird, wird tagtäglich genutzt. „Ob es das Auto-Cockpit ist, die PC-Tastatur, die Frischhaltefolie, das Mobiltelefon oder die Verpackung – wir kommen tagtäglich mit Plastik in Berührung“, so Göske, der gemeinsam mit seinem Kollegen, Dipl.-Ing. Univ. Werner Kachler, den Bundesfachbereich Naturwissenschaften im BVS leitet.

Als organische, plastische Werkstoffe im Mikrometerbereich, die zugleich anorganische Elemente wie Pigmente oder Weichmacher enthalten können, ist Plastik färbbar, universell einsetzbar und flexibel. Das macht diesen Kunststoff zum Fluch und Segen in gleichem Maße.

Mikroplastik kommt überall vor. Es gibt keinen künstlich hergestellten Stoff, der kein Plastik enthält. „Von naturwissenschaftlicher Seite aus verstehen wir unter Mikroplastik den Kunststoff im Kleinstbereich“, erklärt Kachler. „In den Medien wurde damit oft die im Meer treibende Plastiktüte assoziiert. Wir haben in der Tat ein Plastikmüllproblem. Denn Kunststoff ist einfach herzustellen, kostengünstig, vielseitig einsetzbar. Diskutieren wir über Plastik, müssen wir zunächst die Begrifflichkeiten klären“.

Generell werden zwei Arten des Plastik-Kunststoffes unterschieden: Das industriell hergestellte Mikroplastik, welches zum Beispiel Verwendung bei Produkten der Bauchemie oder in der Kosmetik findet und zum anderen Plastikprodukte, die in ihrer Summe aus kleinsten Plastikteilchen bestehen. Durch Verwitterung und Gebrauch lösen sich Kleinstpartikel aller Plastikartikel ab, die als sekundäres Mikroplastik bezeichnet werden.

Jeder Kunststoff verändert im Laufe seiner Zeit seine Oberfläche. „Wir haben zum Beispiel eine 30 Jahre alte PVC Dachhaut über das Elektronenmikroskop betrachtet“, erläutert Dr. Göske. „Über die Jahre wurden von dieser künstlich hergestellten Dachfläche durch Witterung und Umwelteinflüsse Mikro- und Nanoplastikpartikel abgetragen. Diese gelangen dann durch Regen in unsere Gewässer. Aber schon bei einer handelsüblichen Klarsichtfolie verändert sich bereits die Oberflächenstruktur nach dem ersten Gebrauch. Mit anderen Worten: Wenn das Butterbrot in Frischhaltefolie eingewickelt wird, enthält es beim Auspacken bereits Mikroplastikpartikel an der Oberfläche.“

Die wissenschaftlichen Beobachtungen gelten auch für Kunststoffdosen, hergestellt aus Polypropylen, für den Mehrfachgebrauch. Dabei gilt: Je häufiger der Gebrauch, desto stärker die Abnutzung. Entsprechend lautet das Fazit: Tagtäglich kommen Menschen mit Mikroplastik in Kontakt. Ob es hier auch zu gesundheitlichen Schäden kommt, ist nicht klar bewiesen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat klargemacht, dass eine gesundheitliche Bewertung zur Aufnahme solcher Partikel über die Nahrung derzeit nicht möglich ist. Nach heutigem Kenntnisstand stellt sekundäres Mikroplastik die Haupteintragsquelle in die Umwelt dar. Derzeit liegen dem Bundesinstitut für Risikobewertung keine gesicherten Erkenntnisse zur Risikoeinschätzung aufgrund des Fehlens belastbarer Daten über stoffliche Zusammensetzung und Konzentration von Mikroplastik in Lebensmitteln vor. Jedoch sollen Studien zur Aufnahme von Mikroplastikpartikeln über den Darm und deren mögliche gesundheitliche Auswirkungen Aufschluss geben. In der Stellungnahme „Mikroplastikpartikel in Lebensmitteln“ des Bundesamtes für Risikobewertung (Nr. 013/2015 vom 30.4.2015) wird primäres Mikroplastik in Form von kunststoffbasierten Granulaten bzw. Pellets, das gezielt industriell hergestellt wird, von sekundärem Mikroplastik, verursacht durch chemische und physikalische Alterungs- und Zerfallsprozesse, z. B. aus Plastiktüten oder Plastikflaschen, unterschieden. Nach heutigem Kenntnisstand stellt sekundäres Mikroplastik die Haupteintragsquelle in die Umwelt dar.            

Lebensmittel sind grundsätzlich mit Mikroplastik „kontaminiert“, wenn sie beispielsweise in Plastik verpackt waren. Folglich lässt sich Mikroplastik nachweisen.

„Es bleibt abzuwarten, was die Ergebnisse der Untersuchung sagen“, meint Dr. Göske. „Mit gesundem Menschenverstand kann man sagen: Je kleiner die Menge, desto besser. Das ist nur logisch.“    

Alternativen zu Plastikverpackungen können beispielsweise Glasschüsseln oder Blechschalen sein. „Grundsätzlich ist zu fragen, ob wir gerade in der Lebensmittelindustrie nicht mehr Plastik verbannen können. Äpfel und Birnen müssen nicht zusätzlich in Plastik eingeschweißt sein. Wegwerf- bzw. Einmal-Plastikprodukte sind ebenso unnötig wie Plastiktüten“, ergänzt Dipl.-Ing. Werner Kachler.

Als Wirkstoffträger gewährleistet Mikroplastik bestimmte Attribute wie Geschmack und Geschmeidigkeit, wichtig für die Kosmetikindustrie. „Ein Beispiel ist der Lippenstift oder die Zahnpasta. Will man zahlreiche Eigenschaftsprofile haben, gibt es keine Alternativen. Natürlich finden sich andere Produkte auf dem Markt, die dann aber die Anforderungen an diese Komplexität nicht gewährleisten“, so die Wissenschaftler.

Gleiches gilt auch für eine weitere Branche: Das Bauwesen. „Möchte ich Fugen beim Festwerden beeinflussen, brauche ich ein Bindemittelsystem, das gleichmäßig aushärtet. Dafür muss eine großflächige, einheitliche Verteilung stattfinden, damit die Aushärtung an allen Stellen einheitlich funktioniert. Je kleiner die Partikel und je größer die Fläche, desto wichtiger ist ein „Transportstoff“, der die gewünschten Eigenschaften für ein gleichmäßiges Ergebnis verteilt. Hier seien u.a. die kunststoffmodifizierten Baustoffsysteme erwähnt“, erklärt Dr. Göske.

Einig sind sich beide öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, dass nur der bewusste Umgang für mehr Nachhaltigkeit und Umwelt- sowie Gesundheitsschutz sorgt.

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