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21.03.2019

Stuttgarter Bausachverständigentag 2019: Technische Grundlagen, Normen und Regelwerke

Am 14. Februar 2019 fand zum achten Mal der Stuttgarter Bausachverständigentag statt. Die zentrale Jahresveranstaltung für Sachverständige für Schäden an Gebäuden und alle sachverständigen Architekten und Ingenieure wurde als Kooperationsveranstaltung des BVS-Landesverbandes Baden-Württemberg, der BVS Akademie und dem Institut Fortbildung Bau der Architektenkammer Baden-Württemberg initiiert und informierte vorrangig über Technische Grundlagen, Aktuelles aus dem Sachverständigenwesen und gab einen Überblick über wichtige neue Regelwerke. Angesichts der sich wandelnden und komplexer werdenden Anforderungen im Bauwesen sei – nach Ansicht von Willi Schmidbauer, Präsident des Bundesverbandes öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. (BVS) – die Spezialisierung und Qualifizierung von besonderer Bedeutung. 

Den Auftakt im Veranstaltungsprogramm machte Prof. Tom Kaden, Kaden + Lager, Berlin, der mit dem SKAIO in Heilbronn das derzeit in Deutschland höchste Haus in Holzbauweise geplant und realisiert hat. Anhand verschiedener Projekte seines Büros stellte er die Entwicklung des Holzbaus und dessen Potential vor, gerade für innerstädtisches Bauen, Verdichtung oder Aufstockung, aber auch für modulares und serielles Bauen. Wie innovatives und zukunftsweisendes Bauen mit technischen Regeln aus der Gegenwart und der Vergangenheit zusammenpasst – dieses Referat machte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich, wie wichtig es ist, durch kreative Interpretation und Fortschreibung von Regelwerken – über die normierten Details hinaus – unsere Baukultur weiterzuentwickeln.

Mit seinem Vortrag zur Novellierung der DIN 4095 „Baugrund; Dränung zum Schutz baulicher Anlagen“ gab Dipl.-Ing. Gerhard Klingelhöfer, beratender Ingenieur und ö.b.u.v. Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, einen Einblick in die Überarbeitung eines technischen Regelwerks: Ein fast 30 Jahre altes, mehr oder minder bewährtes Regelwerk muss auf Entwicklungen bei Bauweisen und Produkten sowie gewandelte Planungs- und Ausführungsregeln reagieren. Die Sachverständigen seien mit ihrem Fachwissen an der Mitwirkung neuer DIN-Entwürfe gefragt. Herr Stötzler hat in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeiten der Mitwirkung der Sachverständigen bei der Normenarbeit über den BVS oder die Architektenkammern hingewiesen.            

„Wo Gutachten draufsteht, muss auch ein Gutachten drin sein“, argumentierte Rechtsanwalt Volker Schlehe, IHK für München und Oberbayern, München, und referierte zu den Leistungsbildern der Sachverständigentätigkeit. Gerade beim Privatauftrag sei, neben den allgemeinen Pflichten, auf eine sorgfältige Auftragsdefinition, z. B. in Abgrenzung eines Gutachtens zur Beratungsleistung, sowie auf die richtigen Begriffe und Benennungen zu achten. Jochen Stoiber, Referent für Architektur und Technik, und Helmut Stötzler gaben danach einen Kurzüberblick über wichtige Neuerungen und Aktuelles in technischen Regelwerken der Jahre 2018 und 2019. 

Während das Vormittagsprogramm einen breit gefächerten Überblick über das ganze Spektrum der Sachverständigentätigkeit aufgezeigt hat, widmete sich das Nachmittagsprogramm dem Themenschwerpunkt des (neuen) Schadensbegriffs und den Auswirkungen des BGH-Urteils VII ZR 46/17 vom 22. Februar 2018 auf den Sachverständigenbeweis: Wenn der Besteller einen Mangel nicht beseitigen lässt, kann er den Schaden nicht mehr nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten abrechnen, sondern nach dem Mindererlös oder dem Minderwert. Hans-Joachim Rast, Vorsitzender Richter am OLG Stuttgart, referierte zu diesem (neuen) Schadensbegriff und weiteren aktuellen Entscheidungen. Ferner stellte er die Weiterentwicklung der BGH-Rechtsprechung zu den Allgemein Anerkannten Regeln der Technik dar. Deren Einhaltung ist zum Zeitpunkt der Abnahme privatrechtlich geschuldet, sofern nicht, bei entsprechender Aufklärung sowie öffentlich-rechtlicher Zulässigkeit, eine Abweichung bei oder auch nach Vertragsschluss vereinbart wurde. 

BVS-Präsident Willi Schmidbauer führte anschließend allgemein in das Thema Wertminderungen und Minderwert ein und zeigte u. a. die Vielfalt der Wertbegriffe und Methoden auf. Schmidbauer forderte eine bessere Strukturierung und eine Ausrichtung auf den konkreten Bewertungszweck. Für die korrekte Bewertung elementar ist aber gerade auch die Lebensdauer von Bauteilen. Dazu referierte Prof. Dr.-Ing. Martin Pfeiffer, Hochschule Hannover. Auch wenn lediglich eine Prognose möglich ist, sei doch eine ganzheitliche Betrachtung sowohl der technischen als auch der wirtschaftlichen Lebensdauer über den gesamten Bauteillebenszyklus erforderlich.

Anschließend stellte Dipl.-Ing. (TU) Erik Thees, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, Trier, Methoden und Verfahren zur bauteilbezogenen Ermittlung von Minderwerten vor. Bei richtiger Anwendung können Zielbaummethode und Nutzwertanalyse zu guten Ergebnissen führen. Alternativ können monetäre Berechnungsansätze zur Ermittlung des Minderwerts gewählt werden. Pauschalierende Minderungstabellen sind dabei angesichts der individuellen Bewertungsanforderungen wenig hilfreich. 

Zum Abschluss waren Auswirkungen von Baumängeln auf den Immobilienwert aus Sicht des Wertermittlers Thema des Beitrags von Dipl.-Wirtsch.-Ing. Viktor-H. Müller, ö.b.u.v. Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, Stuttgart. Stichtag, Normalität, Realität und Objektivität benannte er als die vier relevanten Verkehrswertprinzipien. Mängel sind grundsätzlich bei allen drei Wertermittlungsverfahren als besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale marktgerecht und marktangepasst zu berücksichtigen. Bei diesem Vortrag wurden die Grenzen der Möglichkeit einer angemessenen Berücksichtigung von Mängeln im Rahmen der Immobilienwertermittlung aufgezeigt. 

Die Vortragsunterlagen stehen auf der Homepage der Architektenkammer Baden-Württemberg zum Download zur Verfügung (www.akbw.de, Suchbegriff Stuttgarter Bausachverständigentag). 

 

Nächster Stuttgarter Bausachverständigentag: 

13. Februar 2020 Hospitalhof in Stuttgart

 

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