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04.08.2017

Marmor, Stein und Eisen bricht – Einblicke in die Mineralogie

Von kleinsten Nanoteilchen bis zu großen Gesteinen - der Bundesfachbereichsleiter für Naturwissenschaften im BVS, Dr. rer. nat. Jürgen Göske, gibt Einblicke in eine steinharte Wissenschaft und ein spannendes Bestellungsgebiet.

Wenn Dr. Jürgen Göske durch das fünfhunderttausend Euro teure Hightech-Rasterelektronen-Mikroskop schaut, ist der studierte Mineraloge jedes Mal auf´s Neue fasziniert. Der Blick auf die verschiedenen Substanzen und Teilchen ist mehr als eine klassische Materialanalyse. „Überall, in nahezu jedem Material und Stoff sowie in zahlreichen Produkten, finden sich Mineralien – von der Zahnpasta über den Radiergummi bis hin zum Geldschein“, erklärt Göske, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schadensuntersuchung und mineralogische Beurteilung von Baustoffen und anorganischen Materialien. Die Untersuchung von den Eigenschaften und dem Zustand der verschiedensten Materialen ist Göskes Anliegen. Ebenso untersucht der geborene Niederbayer Werkstoffe, wie sie in der Bau-, Elektro-, Auto-, Weltraum-, und Natursteinindustrie oder auch in der Medizintechnik und Bauchemie vorkommen.

In der beschaulichen Kreisstadt Lauf a.d. Pegnitz, ca. 18 Kilometer nördlich von Nürnberg, hat Dr. Göske das Labor, welches er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Dipl.-Ing. Univ. Werner Kachler führt. Das Team der beiden passionierten Wissenschaftler betreut Kunden auf nationaler und internationaler Ebene. Gemeinschaftlich leiten beide auch den Bundesfachbereich Naturwissenschaften im BVS (Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V.). 

Mineralanalyse gibt Auskunft über Qualität
„Die Materialuntersuchungen geben zum Beispiel Auskunft über einen verwendeten Werkstoff“, erklärt Dr. Göske. Als ein Beispiel nennt der Sachverständige die Untersuchung von Fliesen, die von der Wand abgefallen sind. Zur Klärung der Haftungsfrage muss hier zunächst festgestellt werden, ob der verwendete Fliesenkleber bzw. der Zement schadhaft waren, oder ob ein Ausführungsfehler seitens des Handwerkers vorlag. Für diesen Zweck braucht es eine Probenentnahme, die dann analysiert wird. „Die Frage nach der Ursache stellt sich branchenübergreifend bei allen Mängeln und Schäden“, erklärt Göske. „Hier muss auch immer das Material dezidiert angeschaut werden.“ In anderen Fällen geht es auch einfach um Betrugsklärung: War die Steinterrasse aus Natursteinen mit dem Herkunftsgebiet „Bayrischer Wald“ gefertigt und damit die einhundert Euro pro Quadratmeter wert, oder sind die Steine ein billiger Chinaexport für zehn Euro pro Quadratmeter? Ebenso stellt sich die Frage nach der Echtheit von edleren Steinen. „Smaragde gehören zu den teuersten Edelsteinen. Ein Stein mit zwei Karat kostet zum Beispiel 20.000 Euro. Kluge „Produzenten“ haben sich einen Brillantschliff ausgedacht, mit dem man das Grün-Glas einer bekannten Bier-Marke so bearbeiten kann, dass es einem echten Smaragd absolut gleicht. Selbst uns fällt es schwer, dies noch zu beurteilen. In letzter Konsequenz kann das beispielsweise dann nur das Idar-Oberstein-Edelsteinzentrum beurteilen“, berichtet Göske.

Mineralanalyse – wichtig für die Medizin
Auch bei Medizinprodukten werden die Materialien in genauen Augenschein genommen. Mit immer ausgefeilterer High-End-Technologie, wie aus dem Bereich der Rasterelektronenmikroskopie, der Röntgenspektroskopie oder der Röntgenpulverdiffraktometrie werden Materialprüfungen durchgeführt. „Wir untersuchen Knochenzemente, Hüftimplantate oder auch künstliche Herzklappen“, so Göske. „Oberfläche, Material und Struktur spielen hier eine wichtige Rolle.“ Ebenso ist die Mineralogie entscheidend für die Medikamentenproduktion. „Unterschiedliche Zusammensetzungen werden unterschiedlich vom Körper aufgenommen. Aggregatzustand und Größe der Tabletten sind entscheidend.“

Steinreich – im Geldschein steckt Mineralogie
„Auch in den Geldscheinen, wie der neuen 50-Euro-Geldnote steckt eine „Menge Mineralogie“, weiß Göske. „Diese ist letztlich auch ein wichtiger Bestandteil, um vor Fälschungen zu bewahren. Mineralogie ist generell ein bedeutender Faktor in der Sicherheitstechnologie. Selbstverständlich ist die Zusammensetzung streng vertraulich und auch uns nicht bekannt“, erklärt der BVS-Sachverständige. In diesem Zusammenhang betont Göske, wie wichtig das weisungsfreie, unparteiische und unabhängige Arbeiten als Sachverständiger ist. „Wir öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen wurden genauestens geprüft und mussten einen Eid leisten. Das ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal.“

Radierer und Lippenstift – kleine Wunder der Mineralogie
Zu einem der perfektesten Produkte der Werkstoffentwicklung zählt Göske den Radiergummi. „Die Entwicklung des Radiergummis ist eine Meisterleistung“, schwärmt der Wissenschaftler. „Sie sind aus Kunststoff und Mineralien, formstabil und gleichzeitig flexibel. Liegen gut in der Hand, entfernen Schrift oder Zeichnung, ohne dabei das Papier stark zu beschädigen. Man könnte sie essen, ohne Schaden zu nehmen und das Material lässt sich zu den verschiedensten Formen verarbeiten. Lippenstift ist übrigens ähnlich komplex“, so Göske.

Natur als Vorbild bringt Stein ins Rollen
Wie macht die Natur das? Kann der Mensch dies imitieren? Fragen, die sich die Wissenschaft stellt und zu deren Antwort die Mineralogie einen wichtigen Beitrag leistet. „Das Vorbild für den Klett-Verschluss war der Gecko mit seinen klebrigen Füßen, der Lotus-Effekt, also die Beschichtung von Flächen mit bestimmten wasserabweisenden Materialien, ist von Pflanzen kopiert. Wir kennen dies heute bei Autolacken oder auch von der wasserabweisenden Outdoor-Jacke. Dies sind nur zwei Beispiele, bei denen es um die Materialuntersuchung geht, damit wir eine Basis haben für die Nutzung in unterschiedlichen Bereichen“, berichtet Göske. Der Trend geht dabei in Richtung Nanotechnologie. Je kleiner der Werkstoff, desto schneller und veränderbarer. „Nanoteilchen atmet man jedoch überall ein. Ob Mikroplastik oder kosmetische Pulver. Es geht also auch um verantwortungsvolle Forschung, Nachhaltigkeit und Gesundheit.“ 

Wissenschaftlichen Nachwuchs fördern
Die Wettbewerbsfähigkeit liegt nicht in den Fabriken, sondern in den Klassenzimmern, meinte Henry Ford. Göske und Kachler folgen dem Beispiel. Im benachbarten Gymnasium sind die Labor-Praktikumsplätze begehrt. Eng arbeitet das Labor-Team auch mit wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Fraunhofer Institut, den Universitäten und Technischen Hochschulen zusammen. „Nicht zuletzt braucht es natürlich auch Nachwuchs mit Sachverstand. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige sind in unserem Tätigkeitsfeld gefragt“, erklärt Göske.

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